Autogenes Training gegen Schmerzen
Schmerzen sind biologisch und physiologisch gesehen ein Warnsignal, denn sie teilen dem Betroffenen mit, dass
etwas im Organismus nicht stimmt, also eine Störung vorliegt. Die Erfahrung von Schmerz hält uns davon ab, etwas
Dummes zu tun, was den Körper schädigen kann. Wenn aber Schmerzen zu einem Permanentereignis werden, dann gibt es
zwei Wege, die zur Schmerzfreiheit führen: Entweder man ermittelt die Ursache des Schmerzes und beseitigt sie, oder
aber man bekämpft den Schmerz selbst – ohne die Ursache anzugehen. Oder, das wäre eine dritte Alternative, man geht
gegen beides vor.
Eine reine Schmerzbekämpfung ohne gleichzeitige Ursachenbekämpfung verspricht, dass der Kampf gegen die
Schmerzen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein unendlicher zu werden droht, also nie mehr aufhört. Werden hier
Schmerzmedikamente eingesetzt, dann kommt die Gefahr von Nebenwirkungen auch noch dazu. Da bei Schmerzen der Griff
zur Schmerzpille die mit Abstand beliebteste Alternative ist, besteht die Gefahr, dass bei lang anhaltenden
Schmerzen eine Abhängigkeit – physiologisch und psychologisch – von den befreienden Pillen entsteht. Darüber hinaus
können Organe wie Leber, Herz und Nieren geschädigt werden. Mehr hierzu unter diesen Links:
Im Folgenden versuche ich herauszufinden, ob das Autogene Training sich für die Bekämpfung von Schmerzen eignet.
Da hier keine Nebenwirkungen zu erwarten sind, auch nicht bei einer langfristigen Benutzung, wäre diese Methode auf
jeden Fall eine gesündere Alternative als die Pillen der Pharmaindustrie.
Zunächst vielleicht erst einmal ein etwas unbekannteres Phänomen: Das sogenannte „Kardiale Syndrom X“. Dieses
Syndrom ist geprägt von Angina-Pectoris-Anfällen und EKG-Veränderungen, die denen einer Ischämie gleichen – und die
sind im Anfall sehr schmerzhaft! Die Koronararterien zeigen sich bei diesem Syndrom jedoch „normal“. Die Prognose
dieser Patienten ist relativ gut, denn es hat sich bislang kein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko gezeigt. Auch das
Risiko für kardiovaskuläre Probleme entspricht dem eines Gesunden. Was hier jedoch besonders leidet, ist die
Lebensqualität dieser Patienten.
Was zu diesem „kardialen Syndrom X“ führt und welche Ursachen dahinter stehen, hat die Schulmedizin erforscht
und als evidenzbasiertes Ergebnis die „Ursache unbekannt“ herausgefunden. Um nicht gänzlich mit leeren Händen
dazustehen, werden verschiedene Hypothesen erwägt: Verengung der Mikrogefäße im Herzmuskel durch ein Zuviel an
Endothelin, Östrogenmangel in der Menopause oder eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit. Als schulmedizinische
Maßnahme werden hier Beta-Blocker und Calciumantagonisten empfohlen, um den Brustschmerz zu verringern.
Es kommt sogar eine Hormonersatztherapie in Frage, um den Östrogenmangel zu beseitigen – ein zweischneidiges
Schwert, da bei dieser Therapie oft synthetische Hormone zum Einsatz kommen, die nur bedingt etwas mit dem
natürlichen Östrogen zu tun haben. Diese synthetischen Östrogene stehen außerdem im Verdacht, die Entwicklung von
Krebserkrankungen zu fördern. Aber das ist eine ganz andere Frage und ein neues Thema. Auf dieser Webseite will ich
mich auf das Autogene Training beschränken.
Also: kann das Autogene Training leisten, was die Schulmedizin und ihre Maßnahmen nur auf hypothetischer
Grundlage bewältigen? Schauen wir einmal auf folgende Arbeit:
Asbury EA et al.: Department of Cardiac Medicine, National Heart and Lung Institute, Imperial College London,
London, UK. e.asbury@imperial.ac.uk
Autogenic training to manage symptomology in women with chest pain and normal coronary
arteries
in: Menopause. 2009 Jan-Feb;16(1):60-5. doi: 10.1097/GME.0b013e318184762e.
Diese Arbeit aus dem Jahr 2009 hatte sich zur Aufgabe gestellt, Autogenes Training als Behandlungsmethode für
psychologische Morbidität, Symptomatik und psychologische Stressmerkmale bei Frauen mit Brustschmerzen zu
untersuchen. Die beteiligten Frauen wiesen alle Merkmale eines Syndrom X auf (positiver Test für myokardiale
Ischämie und gleichzeitig normale Arterien der Herzkranzgefäße).
Insgesamt nahmen 53 Frauen an dieser Studie teil. Es wurden zwei Gruppen gebildet, die entweder ein acht Wochen
dauerndes AT-Programm durchliefen – oder ein ebenso lang andauerndes Seminar zur Symptomenkontrolle. Gemessen und
bewertet wurden die Stärke und Häufigkeit der Symptome, Fragebögen zu Depressionen, Unruhe und Lebensqualität,
Blutdruck, Herzfrequenz, EKG und Plasma-Katecholamine zu Beginn und am Ende der Studie. Gleiches wurde ein drittes
Mal acht Wochen nach Beendigung der Studie wiederholt.
Resultate:
Die Frauen der AT-Gruppe zeigten eine signifikante Verbesserung der Symptomhäufigkeit im Vergleich zur
Kontrollgruppe. Sie hatten eine verringerte Symptomstärke und -häufigkeit nach Beendigung des Autogenen Trainings
im Vergleich zu Anfang innerhalb der AT-Gruppe. Die Verbesserungen innerhalb der AT-Gruppe wurden beobachtet bei
der Frage nach der Lebensqualität, Unruhe und Depressionen am Ende der Studie. Die Nachbeobachtung ergab eine
weitere Verbesserung des Indexes für Lebensqualität.
Die Autoren schlossen aus ihren Beobachtungen, dass dieses achtwöchige Autogene Training in der Lage war,
signifikant die Häufigkeit der Symptome zu reduzieren, und die Symptomstärke nicht (fast) signifikant
einzudämmen.
Fazit
Die Arbeit zeigte nach Beendigung der Studie ein gutes Ergebnis, vor allem bei der Symptomhäufigkeit. Das
wiederum drückte sich in der besseren Bewertung der Lebensqualität der Teilnehmer der AT-Gruppe aus. Dieser Trend
setzte sich auch noch während der Nachbeobachtung weiter fort. Daher steht zu vermuten, dass ein konstant
weitergeführtes Autogenes Training auch danach mit noch mehr schmerzbefreienden Effekten verbunden sein kann.
Schauen wir auf die nächste Studie.
Nitroglycerin ist bekannt als hochexplosiver Sprengstoff. Es wird aber auch bei der koronaren Herzkrankheit
eingesetzt, um Angina-Pectoris-Anfälle zu vermeiden beziehungsweise zu kupieren. Eine besonders „beliebte“
Nebenwirkung ist ein Kopfschmerz, der auf der Gabe der Substanz beruht und dem Betroffenen das Gefühl vermittelt,
als würde sein Kopf gerade weggesprengt.
Juhasz G et al.: Neuroscience and Psychiatry Unit, University of Manchester, Manchester, UK.
Effects of autogenic training on nitroglycerin-induced headaches
in: Headache. 2007 Mar;47(3):371-83.
Die vorliegende Arbeit untersuchte den prophylaktischen und akuten Effekt von Autogenem Training von Nitroglycerin
während einer Migräneattacke. Dazu nahmen 30 Frauen mit Migräne ohne Aura und 11 ohne Migräne als Kontrollgruppe
teil.
Schmerzen senken unsere Lebensqualität
11 „Migränefrauen“ und 5 Kontrollen praktizierten regelmäßig Autogenes Training für die Dauer von 6 Monaten vor
und während eines sublingualen Tests mit Nitroglycerin (bedeutet: der Patient/Proband bekommt eine Kapsel unter die
Zunge, die sich dort auflöst und die Substanz resorbiert). Die Intensität und Eigenschaften der Kopfschmerzen
wurden notiert und ausgewertet. Während der Behandlung mit Nitroglycerin wurde Blut abgenommen, um die
Konzentration von Kortison im Blut zu kontrollieren. Weiter wurden Blutdruck und Herzfrequenz notiert.
Ergebnisse: Als präventive Maßnahme mit Langzeitcharakter senkte das Autogene Training signifikant die
durchschnittliche Häufigkeit und Intensität der Kopfschmerzattacken im Vergleich zur Zeit vor der Behandlung bei
den Frauen, die zu der AT-Gruppe gehörten. Während der Gabe von Nitroglycerin milderte das Autogene Training
erfolgreich den sonst üblichen Blutdruckabfall und die Abnahme der Herzfrequenz.
Jedoch zeigte sich keine Wirksamkeit bezüglich einer Verhinderung von akuten Attacken. Autogenes Training
verringerte auch nicht die Häufigkeit der akuten Migräneanfälle und dämpfte nicht die Intensität der Schmerzen. Die
Konzentrationen von Kortison zeigten sich als signifikant erhöht während der akuten Attacken. Die Intensität der
Attacken korrelierte mit der Höhe des Anstiegs an Kortison. Das Autogene Training hatte jedoch keinen Einfluss auf
die Kortisonausschüttung als Antwort auf die Behandlung.
Daher folgerten die Autoren aus ihren Beobachtungen, dass eine Langzeittherapie mittels Autogenem Training eine
effektive prophylaktische Maßnahme für Migränepatienten ist. Die Autoren vermuten, dass dieser Effekt auf einer
Veränderung der Schmerzempfindlichkeit beruht. Autogenes Training ist aber nicht geeignet, akute Anfälle zu
kupieren. Außerdem lassen die Ergebnisse die Vermutung zu, dass die Kopfschmerzen, akut und verzögert, nicht
aufgrund der üblichen Hypothese der nitroglycerininduzierten Vasodilatation der Gefäße im Gehirn erfolgen kann.
Fazit
Auch bei dieser Indikation hat das Autogene Training zumindest für die Prophylaxe eine nicht zu
vernachlässigende Bedeutung. Aber ist Vorbeugung nicht hundertmal so viel wert wie behandeln?
In dieser nächsten Studie geht es um Schmerzen in der „Gehirnregion“.
Naglatzki RP et al.: Department of Neurosurgery, University Hospital Essen, University Duisburg-Essen,
Germany.
Cerebral somatic pain modulation during autogenic training in fMRI
Eur J Pain. 2012 Oct;16(9):1293-301. doi: 10.1002/j.1532-2149.2012.00138.x. Epub 2012 Mar 27.
Diese Arbeit von 2012 aus Deutschland untersuchte den Einfluss von Autogenem Training bei Schmerzen auf
Gehirnregionen, der mittels Magnetresonanztomographie ermittelt wurde. Dazu wurden 13 Freiwillige, die Autogenes
Training praktizierten, mit einem schmerzhaften Elektroschock „malträtiert“, einmal ohne Autogenes Training
anzuwenden und einmal während des Autogenen Trainings.
Neben den tomographischen Messungen wurden zusätzlich noch subjektive Bewertungen von Schmerz und der Erfolg der
Schmerzbekämpfung durch das Autogene Training notiert.
Ergebnis: Die Aktivierung von Hirnarealen beim Einsetzen von Schmerz war unter dem Autogenen Training deutlich
weniger stark und in weniger Arealen ausgeprägt als ohne Autogenes Training. Daher scheint das Autogene Training
einen Effekt im Gehirn bei der Verarbeitung von Schmerzsignalen zu haben. Allerdings geben die Autoren zu, dass
hier die Kontrollgruppe gefehlt hat, was die Aussagekraft einschränkt.
Fazit
Diese Arbeit bietet immerhin einen kleinen Einblick in die Tatsache, dass das Autogene Training auch im Gehirn
wirksam ist beziehungsweise sein müsste. Eine Kontrollgruppe und etwas größere Probandenzahlen ergäben dann die
optimale Grundlage für aussagekräftigere Ergebnisse.
Fazit zu Autogenem Training bei Schmerzen
Autogenes Training scheint eine sehr gute Prophylaxe gegen eine ganze Reihe von Schmerzen zu sein. Für die
Akutphasen wären jedoch immer noch die Pillen ein Mittel der Wahl. Doch eine gute Prophylaxe reduziert auf
Dauer die Zahl, Dauer und Intensität der Schmerzattacken, was auch die Notwendigkeit von Schmerzmitteln herabsetzt.
Die Effektivität dieser Methode muss nicht mit gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen erkauft werden, die im Laufe
der Zeit eine neue, andere Erkrankung heraufbeschwören können.
Dieser Artikel wurde am 28.4.2019 erstellt.
|